Soll ich erzählen, weshalb ich so lange geschwiegen habe? Ach, das interessiert Sie gar nicht? Auch gut, war auch echt nicht spektakulär, Osterferien und so. Es gibt ja wahrhaftig wichtigeres in der Welt, das man sich fragen kann! Weshalb der komische Prinz William prominenter ist als Jürgen Klopp, zum Beispiel oder warum man nicht noch viel, viel mehr – selbst aus seriösen Zeitungen – über den Scheidungskrieg eines Schauspielers erfährt, der offenbar nicht zu Unrecht den Namen Depp trägt oder warum eine Kunstfigur namens Kim Kardashian irgendwas tut oder lässt…
Soso, das interessiert Sie auch alles nicht? Naja, mich auch nicht.
Aber es gibt ein paar andere Sachen, die wüsste ich schon gern. Also was mich interessiert, das wäre zum Beispiel, warum in unseren ach so „woken“ Zeiten (ich nehme an, wenn man heutzutage „gegoogelt“ sagen darf oder „upgeloaded“ darf man auch von woken Zeiten sprechen) immer noch von „Afro-Amerikanern“ die Rede ist, während die mit der weißen Hautfarbe einfach nur „Amerikaner“ sind. Ich protestiere aufs schärfste dagegen und fühle mich wahlweise empört, entsetzt, in meinen religiösen Gefühlen verletzt, als Mensch nicht ernst genommen, politisch unkorrekt behandelt, in meiner Identität nicht ausreichend gewürdigt, rassistisch diskriminiert und wenn Ihnen noch ein bisschen was einfällt, das auch. Nur eine beleidigte Leberwurst möchte ich nicht sein, die hat gerade keinen so guten Ruf.
Ich bringe jedenfalls hiermit eine Petition ein, dass in Zukunft in Berichten und Fernseh-Sendungen unterschieden wird zwischen Afro-Amerikanern, Euro-Amerikanern, Hispano-Amerikanern und Divers-Amerikanern, während denjenigen, denen während der übermäßigen Besiedlung des amerikanischen Kontinents durch hauptsächlich europäische Gangster das Land ursprünglich gehörte, das alleinige Recht zustehen soll, sich „Amerikaner“ ohne irgendeinen Zusatz zu nennen. Wobei man das natürlich erst noch einer Überprüfung durch die zuständigen Behörden unterziehen muss, weil die, die infolge eines geopolitischen Missverständnisses von Seiten eines gewissen Christopher Kolumbus, der für die damaligen Einwohner des Kontinents eine fürchterliche Entdeckung war, immer noch „Indianer“ genannt werden, ihr eigenes Land wahrscheinlich ganz anders bezeichnen würden. Was wir anderen dann aber selbstverständlich nicht dürfen, weil es sich dabei vermutlich um einen sehr verwerflichen Fall von kultureller Aneignung handeln würde. Was wir stattdessen machen sollen, weiß ich auch nicht, am besten halten wir einfach die Klappe – ein Ratschlag, den ich besonders dringend dem euro-amerikanischen Gangster Donald Trump ans Herz legen möchte.
Ein zweites, das mich brennend interessiert, ist, wie es kommt, dass Frauen, laut einer groß angelegten wissenschaftlichen Studie, hauptsächlich dann in Führungspositionen berufen werden, wenn die Firma, um die es geht, in Schwierigkeiten steckt. Ist das nun das stillschweigende Eingeständnis der Männer, dass Frauen einfach besser sind, weshalb man, wenn es richtig schwierig wird, besser sie ans Ruder lässt? Oder ist es der hinterfotzige Versuch, alle Verantwortung von sich zu weisen, wenn selbst die Frauen es nicht schaffen, die von den Männern herbeigeführte Misere ins Gute zu wenden? Oder eine Mischung aus beidem? Darauf gibt er keine Antwort, der Konstanzer Forscher Florian Kunze, der an der Uni Konstanz das „Future of work lab“ leitet. Aber was er mit Sicherheit weiß: „Steht einem Unternehmen das Wasser bis zum Hals, ist es um 50 Prozent wahrscheinlicher, dass Frauen in den Vorstand berufen werden!“
Gott war da klüger. Nachdem er Adam und Eva geschaffen hatte und sich fragte, wie es um den Fortbestand der Unternehmung Mensch bestellt sein würde, wenn beide sich gleichberechtigt die vorrangige Aufgabe, den Nachwuchs auf die Welt zu bringen und in der ersten Zeit für sein Weiterleben zu sorgen, aufteilen würden, war ihm nach kurzer Beobachtung des männlichen Teils klar, dass das schiefgehen würde, weshalb er mit göttlicher Weisheit entschied, dass es alleinige Aufgabe der Frauen sein müsste, zu gebären und zu nähren, sonst könnte er das Projekt Erdbesiedlung gleich wieder einstampfen. Leider hat er es versäumt, den Männern genügend Verstand mitzugeben, seine wahren Beweggründe hinter dieser Aufgabenverteilung zu erkennen – was ein zwingender Beweis dafür ist, dass wir es tatsächlich, wie von der katholischen Kirche von Anfang an behauptet, mit einem Gott zu tun haben und nicht etwa mit einer Göttin.
Der oben erwähnte Forscher Kunze von der Uni Konstanz hatte im „Südkurier“ vom 11. Mai übrigens auch gleich noch eine Warnung für die Frauen parat: Frauen, die in der Krise die Möglichkeit hätten aufzusteigen, sollten gut aufpassen, „ob das wirklich eine Chance sei, sich realistisch beweisen zu können.“ Denn das Risiko zu scheitern, sei in der Krise um ein Vielfaches höher und damit auch die Formen impliziter Diskriminierung. Wenn Frauen keine guten Ergebnisse erzielten, könne es schnell wieder heißen, man habe schließlich eine Frau berufen, die es aber leider, leider nicht gekonnt hätte – ein gutes Argument, beim nächsten Mal doch wieder einen Mann zu nehmen.
Das hat vielleicht nichts mit Verstand zu tun, aber auf jeden Fall mit Bauernschläue…
Und zum dritten hätte ich gern Antworten auf die Frage, weshalb unsere junge Generation immerzu so eine elende Sauerei hinterlässt, wenn sie sich zu etwas zusammenfindet, dass sie feiern nennt. Ich nehme an, das ist keineswegs nur ein Konstanzer Problem. Unser Seeufer gehört zu den schönsten Orten, die man sich vorstellen kann. Gehen Sie da mal an einem frühen Samstag- oder Sonntagmorgen längs! Müllberge, Glasscherben, von den urmenschlichen Hinterlassenschaften gar nicht zu reden. Ich fürchte, diese irregeleiteten Kinder haben die falschen Vorbilder. Angesichts Artensterben, vermüllter Ozeane und vergifteter Böden ist das Konstanzer Seeufer vielleicht vernachlässigbar, aber die Haltung dahinter ist doch die gleiche: „Ist mir doch scheißegal, wer hinterher die Sauerei wegmacht, Hauptsache, ich habe meinen Profit, respektive meinen Spaß!“
Haben wir alten Schachteln die Eltern dieser Kinder falsch erzogen, sodass die wiederum ihre Nachkommen zu einem Egoismus und einer Rücksichtslosigkeit erzogen haben, die auch die paar Aufrechten von Fridays for Future nicht mehr wettmachen können? Es ist zum Heulen!
Zum Schluss noch die Frage, die mich am meisten umtreibt: Wann kommt der Kriegsverbrecher Putin vor ein Gericht? In diesem Sinne: ceterum censeo…
Liebe Frau Dehner,
das mit fehlenden Frauen in Führungspositionen ist nur noch eine Frage der ZEIT.
Frauen sind einfach in vielem besser, in manchen Studiengängen gibt es ja kaum noch Männer, z.B. weil sie einfach den NC nicht schaffen (vielleicht als alleiniges Kriterium auch nicht gut).
Warum dauert das so lange: Weil (fast alle) Männer Frauen fürchten und deshalb über Jahrhunderte Strategien entwickelt haben, am Hebel zu bleiben. Funktioniert nicht mehr.
Die Katholische Kirche ist übrigens ein Jungbrunnen. Gehen Sie mal in einen Gottesdienst, sie gehören bestimmt mit zu den jüngsten Besuchern. 🙂 Diese Kirche ist ein wunderbares Beispiel für die genannten männlichen Strategien.
Liebe Grüße und weiter viel Spaß beim Schreiben
Hansjörg Reichert