Die Nacktschnecken

Die Nacktschnecken

Die Nacktschnecken 1371 668

Ich bin so entgeistert und fassungslos, dass mir eigentlich die Worte fehlen. Nun raffe ich mich aber trotzdem auf, an diesem Montag nach einem Scheiß-Sonntag (entschuldigen Sie mein französisch). Eigentlich wollte ich nicht über Nacktschnecken schreiben. Aber die Ereignisse zwingen mich dazu, das werden Sie gleich verstehen. Letzte Woche hatte ich begonnen, einen ganz anderen Beitrag für den Blog zu schreiben. Hier ist der Beweis:

„Eine alte Schachtel in Mailand“, so sollte der Titel lauten.

„Für gewöhnlich gönnen wir uns einmal im Jahr einen kleinen Städtetrip, der Gatte und ich. Schon seit langem auf meiner Liste steht Edinburgh, das sollte es also eigentlich dieses Jahr sein. Leider musste ich zu meinem Entsetzen feststellen, dass der einzige Direktflug von Zürich nach Edinburgh morgens um zwanzig vor sieben geht! Zwanzig vor sieben! Was ist denn das für eine gottlose Zeit? Sorry, meine lieben Schotten, aber auch für Edinburgh stehe ich nicht nachts um vier auf, um pünktlich zum Einchecken in Zürich zu sein. Außerdem ist Fliegen ja sowieso von Übel, soll man gar nicht mehr machen. Wir entdeckten also unser ökologisches Gewissen und entschieden uns für ein Ziel, das man von Konstanz aus bequem mit dem Zug erreichen kann – sogar mit einem Schweizer Zug, was die Reise gleich um Klassen erfreulicher macht, als wenn man mit, nur so als Beispiel, der Deutschen Bahn unterwegs ist: Direktverbindung Konstanz Zürich, danach Direktverbindung Zürich Mailand und alles pünktlich. Was gibt es da lang zu überlegen? Milano, arriviamo!

Wir waren darauf eingestellt, dass es viel zu fotografieren geben würde, aber auf das Foto, das ich am liebsten gemacht hätte, mussten wir leider verzichten. Uns gegenüber saß in einem Vierer-Kompartment eine Gruppe junger Schweden, zwei Mädchen, zwei Jungen. Sie sahen sehr, sehr jung aus, aber das ist ein Merkmal, dass sie in meinen Augen mit fast allen unter fünfundzwanzig teilen, es können durchaus schon Studenten gewesen sein. Einer der beiden Jungen, lang und dünn, hatte offenbar eine anstrengende Nacht hinter sich, er versucht also, auf dem Zugsitz irgendeine Position zu finden, in der er schlafen konnte. Dazu verknotete er in abenteuerlicher Weise seine nach oben gestreckten langen Beine – nie wieder im Leben bringe ich im Sitzen meine Knie so nahe neben meine Ohren, da hilft auch kein Yoga mehr, ich war schwer beeindruckt. Was aber wirklich rührend war, war der Blick auf seine außerordentlich zerlöcherten Socken, man konnte fast auf die Idee kommen, wenn man sich an top-modischen Jeans orientiert, es müssten Designer-Modelle gewesen sein. Sehr bedauerlich, dass uns der Anstand verbot, dieses unvergessliche Bild fotografisch mit nach Hause zu nehmen!“

So weit war ich bereits gekommen, dann kam die Wahl. Felsenfest war ich davon überzeugt, dass uns diese Wahl eine saftige Klatsche für die AfD bescheren würde. Aber was ist passiert? Nun haben diese Nacktschnecken auf den Blüten unserer Demokratie sogar noch zugelegt! Ich war so erschüttert, dass ich die Ergebnisse erst mal kaum glauben konnte. Außerdem zweifelte ich an meinem Verstand – wie konnte ich mich derartig täuschen? Am Verstand der Leute, die angesichts unserer Geschichte freiwillig Nacktschnecken wählen, zweifle ich sowieso. Nacktschnecken, wir erinnern uns, nagen an Blüten und Blättern einer Pflanze so lange, bis sie völlig unansehnlich wird und wenn man Pech hat, ist sie hinterher total im Eimer. Ich war so angepisst, am Sonntagabend hätte ich mich liebend gern sinnlos betrunken. Lässt meine Konstitution leider nicht zu, es hätte ja auch nichts geholfen. Aber mich am Montagmorgen gerade so, als ob nichts passiert wäre, an den Computer setzen und über Mailand schreiben, nein, das ging auch nicht. Daher der Ausflug in die Botanik mit dem Exkurs über Nacktschnecken. Und gerade so, als ob nichts passiert wäre, scheint im Moment die Sonne. Schamlos! 

Mailand, ich mach’s kurz, um das Kapitel abzuschließen, ist voll, laut, anstrengend, teuer, besitzt von allen italienischen Städten, die ich kenne, den geringsten Charme, aber fantastische Museen und beeindruckende Architektur. Außerdem ist Mailand Kommerz pur, eine Aussage, die meine jüngste Enkeltochter mitanhörte. Sie ist wahnsinnig schnell im Kopf und sagte sofort: „Und Ko-April, Ko-Mai, Ko-Februar“. Ich, nicht ganz so schnell im Kopf, habe einige Momente gebraucht, um zu verstehen, was sie meinte. Aber sie hatte natürlich vollkommen recht!

Bild von Alexa auf Pixabay
Ein Kommentar
  • Das haste aber schön übereinandergebracht, alle Achtung: Flora, Fauna, Städtetour, Flugscham, Jugend und AfD! Und sogar noch on Top eine intellente Enkelinnenwortspielerei! 💜💋🐗