Ja, ich weiß, es ist eine Weile her. Aber zum einen hatte mir die Weltlage die Lust am Schreiben etwas verhagelt – der Gedanke, dass die weitaus größte Menge der Menschheit von, man kann es nicht anders sagen, Verbrechern regiert wird, und womöglich bald noch welche dazukommen, hat meiner Zuversicht sowie meiner Schaffensfreude einen empfindlichen Dämpfer verpasst. Doch mein entschiedener Protest durch Verweigerung hat die Weltlage leider nicht verbessert. Zum anderen habe ich versucht, mit Ulrichs und meinem neuen Introvisionsbuch endlich fertig zu werden. Hat auch nicht geklappt. Aber ich arbeite daran. Ich gehöre halt zu den altmodischen Leuten, die noch selbst schreiben und es nicht der KI überlassen, Texte zu verfertigen. Blöd, zugegeben, aber der Mensch kann nun mal nicht wider seine Natur. In meiner ist die Intelligenz hausgemacht – klein, aber mein, sozusagen. Nein, das ist NICHT Phishing for compliments!
Dann erreichten mich ein paar freundliche Nachfragen, das hat mich so gefreut, dass ich dachte, ich kann ja mal einen Neustart wagen. Um mich nicht gleich zu überfordern, fange ich mit einem Leserbrief an, den ich kurz vor Ostern geschrieben habe und den die „Süddeutsche“ in ihrer Osterausgabe in voller Länge veröffentlicht hat – mein größter literarischer Erfolg bisher! Ich bin entsprechend stolz und setze einfach mal voraus, dass nicht alle geneigten Leserinnen und Leser der „Alten Schachteln“ die Leserbriefe-Seite der „Süddeutschen“ so gründlich studieren, dass sie den Text schon kennen.
Der Leserbrief bezieht sich auf den Beitrag eines Autors, der sich beschwert hatte, dass in Deutschland die Namen von Künstlern und Literaten, die erkennbar nicht-deutschen Ursprungs sind, in seinen Augen zu häufig falsch ausgesprochen und auch falsch geschrieben werden, selbst in seriösen Medien (!), außerdem fand er es doof, dass er von seiner Mutter auf Anraten von Freunden einen deutschen zweiten Vornamen bekam. Was die falsche Aussprache etc. betrifft: Da hat er wahrscheinlich Recht, keine Ahnung, aber dass das nicht ein Ausdruck speziell deutscher Ignoranz und Arroganz ist, wollte ich gern zu bedenken geben und auch für eine gewisse Nachsicht plädieren. Es steckt ja selten böser Wille dahinter. Außerdem denke ich, dass man sich nicht immer gleich auf den Schlips getreten fühlen muss, wenn man gar keinen um hat, aber das nur so nebenbei.
„Sehr geehrte Redaktion, sehr geehrter Herr Kazim,
Ja, das mit den Namen ist eine vertrackte Sache! Schön, dass Sie, Herr Kazim, so abgeklärt darüber schreiben. Vielleicht ist es ja auch ein gewisser Trost, dass es diese Schwierigkeiten mit den Namen nicht nur in Deutschland, respektive deutschsprachigen Ländern, gibt. Eine Mechthild, die ich kenne, musste in Amerika damit leben, eine Mäktaild zu sein, und schreiben konnte ihren Namen sowieso keiner. Übrigens, auch Prominenz schützt vor abenteuerlichen Aussprachen nicht. Ich liebe es, den französischen Sender Radio Classique zu hören. Jean Sebastien Bak und Wolfgon Mosár sind da noch die harmlosen Beispiele, abenteuerlicher wird es schon mit Kristoffe Willibalde Glück oder Dittritsch Büxteüd. Am schlimmsten ist es fast, wenn ein Sprecher versucht, einen Namen richtig auszusprechen, da kommt man als Deutscher ins Grübeln, zum Beispiel bei Ügowon Offmanschtal. Dabei hat sich der Sprecher wohl daran erinnert, dass im Deutschen s und t zu scht zusammengezogen werden – meistens. Bedauerlich ist nur, dass Mahler immer wie „Malheur“ klingt, ich finde, das hat er nicht verdient. Und was die Schreibweisen betrifft: Da haben die Franzosen ja dem Kreml-Diktator wohlweislich ein O und ein E dazugemogelt, sonst müssten sie den Namen wie Putain aussprechen, was für den Herrn womöglich ein Grund wäre, in Frankreich einzumarschieren… Erstaunlicherweise nimmt kein Mensch es krumm, wenn Ortsnamen den landesüblichen Aussprache-Gepflogenheiten angeglichen werden. Oder hat man schon einmal erlebt, dass ein Italiener erbost auf „Venedig“ oder „Florenz“ reagiert? Und bei uns sagt auch kein Mensch „Pari“ oder „Landen“, dafür nehmen wir auch „Börlinn“ mit Grazie hin oder dass aus dem schönen Ort, an dem ich wohne, „Constance“ wird.
Was in meinen Augen für einen möglichen anzufügenden zweiten Vornamen spricht – ohne respektlos dem eigentlichen gegenüber sein zu wollen – ist die Erleichterung, die man dadurch hat, dass damit das Geschlecht des Menschen so klar, wie das halt heutzutage noch geht, wird. Ich bekomme öfter Briefe oder Mails, bei denen ich nicht weiß, ob die Absender nun besser mit „Sehr geehrte Frau Sowieso“ oder doch eher mit „Sehr geehrter Herr Sowieso“ anzusprechen sind. Aber das ist letzten Endes nur eine Kleinigkeit, nicht von Belang, lässt sich lösen, ist nur ein bisschen umständlich. Wie Herr Kazim im Artikel schon schrieb, ist auch das Autokorrekturprogramm eine echte Falle, immer wieder macht meines aus meiner Freundin Cornelie eine „Liebe Cornflakes“, und sicher, ein Redakteur sollte gründlich kontrollieren, aber Redakteure sind halt auch nur Menschen, die es manchmal verdammt eilig haben, da rutscht einem schon mal was durch.“
Das Autokorrekturprogramm, und das als Abschluss, ist sowieso eine Quelle beständiger Freude. Ich habe kürzlich eine Viertelstunde lang gekichert über folgenden Signal-Austausch von zwei meiner Freundinnen:
„Ihr Lieben, einen Gruß aus Mainz, wo es sehr Reibekuchen aber schön ist. Habe einen Hut erworben, oh lala.“ (Angehängtes Foto)
„Oh lala! steht dir ausgezeichnet! …Reibekuchen???…
„Wieso Reibekuchen???“
„…du hast geschrieben „Mainz, wo es sehr Reibekuchen…“
„Wieder mal die Autokorrektur. Sollte „trubelig“ heißen.“
Ich grüble immer noch, wie das Programm von „trubelig“ auf „Reibekuchen“ kam, aber wenn selbst die Macher all dieses neumodischen Krams zugeben müssen, dass sie ihre Algorithmen nicht mehr verstehen, wie soll man da als alte Schachtel nicht verwirrt sein?
Liebe Renate, es freut mich sehr, dass du wieder Lust auf schreiben hast. Ein bisschen HI (hausgemachte Intelligenz) kann man auch gut nutzen 🙂