Susanne Smajic

Susanne Smajic

Susanne Smajic 846 605

In diesem Beitrag möchte ich eine seit 2006 in Konstanz lebende Künstlerin vorstellen, deren Arbeiten mich begeistert haben, seit ich sie vor einigen Jahren zum ersten Mal in einer Ausstellung gesehen habe. Dass es sie durch einen Zufall nach Konstanz verschlagen hat – weil sie nach der Trennung von ihrem Mann einen kompletten Neuanfang wollte – ist für das kulturelle Leben der Stadt eine große Bereicherung. Gebürtig 1972 in München, wollte sie nach zwölf Jahren in Münster wieder mehr in den Süden, und dass es Konstanz wurde und nicht Freiburg, was zunächst ihr Plan war, dazu können wir Konstanzer uns nur beglückwünschen. Ich habe sie ein bisschen nach ihrem künstlerischen Werdegang ausgefragt. Lesen Sie selbst:

„Seit ich einen Stift halten kann, zeichne und male ich, es hat mich Zeit meines Lebens begleitet. Mein Vater hat mir sehr viel vorgelesen und dazu habe ich schon immer sehr viel gezeichnet, ich habe die Märchen und Geschichten, die ich gehört habe, sofort „illustriert“. Das Medium Buch spielte bei uns zuhause eine zentrale Rolle, später auch als Buch-Illustratorin zu arbeiten, wurde also vielleicht schon in der Kindheit angelegt.

Nach dem Abitur war ich zunächst relativ planlos – ich wusste erst mal nur, was ich alles NICHT studieren wollte. Aber mir wurde bald klar, dass ich mir wünschte, etwas in Richtung Kunst zu machen. Daraufhin habe ich mich an den Hochschulen umgesehen, habe eine Mappe gemacht, und bin damit zu verschiedenen Vorstellungsgesprächen gepilgert. Von der Hochschule in Münster habe ich eine Zusage bekommen und eine in Halle/Saale. 

Zunächst hatte ich mich entschlossen zur Hochschule nach Halle zu gehen und war damit 1993/94 eine der ersten Wessis, die zum Studieren in den Osten ging. Das war damals wirklich noch „ganz wilder Osten“ und ich fand das rasend toll. Ich war vorher noch nie in der damaligen DDR gewesen und fand die Stimmung super, die vielen netten jungen Leute, alle sehr unkonventionell, und fand es sogar aufregend, dass die Straßen nur aus Schlaglöchern bestanden und die abenteuerlichsten Partys in verfallenen Gebäuden stattfanden. Es gab überhaupt ein großes kulturelles Angebot, in allen Sparten. 

Erstmal landete ich in Weimar, weil man dort eine Art Vorstudium besuchte, das zum Studium in Halle gehörte. Es ging um den Handbucheinband, denn ich hatte mich für den Studiengang Buchgestaltung entschieden. Das Vorsemester fand hauptsächlich in einer zur Universität gehörenden Buchbinderei statt, man war immer drei Wochen in der Buchbinderei und eine Woche an der Hochschule. Ich pendelte also in diesem ersten Semester ständig zwischen Weimar und Halle hin und her. Während dieser Zeit habe ich mich total in Weimar verliebt, und es ist eine meiner Lieblingsstädte geblieben. 

Ich habe dann aber doch nach Münster gewechselt, weil damals, das hat sich heute sicher verändert, das Studium und die Arbeit in der Buchbinderei derartig durchgetaktet waren, mit minutengenau festgelegten Teepausen und ähnlichem, dass ich darauf keine Lust hatte. Ein so striktes Reglement ging mir gegen den Strich. Münster als „Beamtenstadt“ war für mich dann ein echtes Kontrastprogramm zu Halle und Weimar. Der Diplom-Studiengang dort hatte einen sehr künstlerischen Schwerpunkt auf die Druckgrafik. Fast fünf Jahre lang habe ich mich deshalb fast ausschließlich auf Zeichnung und Radierung konzentriert, das war absolut mein Ding, und habe darin auch mein Examen gemacht.

Da ich so Buch affin aufgewachsen bin, wollte ich sehr gern etwas mit Buchgestaltung und Buchillustration machen – was ich allerdings gar nicht studiert hatte. Diesen relativ jungen Studiengang gab es damals nur an sehr wenigen Hochschulen, so auch in Münster. Da gab es auch einen Kurs in Kinderbuch-Illustration, ich fand den Professor, der das anbot, aber so schrecklich, dass ich da einmal war und nie wieder. Direkt nach dem Diplom in Zeichnung, Druckgrafik, Radierung 1999 suchte ich mir einen Job in einer Buchhandlung, war da Mädchen für alles und das war eine sehr lehrreiche Zeit für mich, weil ich dort an der Quelle saß und erlebt habe, wie das so läuft mit den Büchern. Davon hatte ich ja erstmal keine Ahnung, aber während des Jobbens ist mir klargeworden, dass ich am besten mit einer vernünftigen Mappe meiner Arbeiten zur Frankfurter Buchmesse musste, um dort mit so vielen Verlegern wie möglich zu sprechen. 

Mit einer Mappe, die ausschließlich für Illustrationen konzipiert war, reiste ich schließlich für die drei Messetage nach Frankfurt und wusste, ich muss mit mindestens zehn, fünfzehn Verlagsvertretern pro Tag sprechen, um überhaupt eine Chance für einen Auftrag zu haben. Und mit etwas Anfängerglück ist es mir gelungen, den Weg als freie Illustratorin einzuschlagen, denn ich habe direkt eine Rückmeldung vom Thienemann-Verlag in Stuttgart bekommen. Das war ein damals sehr renommierter Verlag, der inzwischen leider als eigenständiger Verlag untergegangen ist. Einer der dortigen Lektoren rief mich an, sagte mir, dass eine neue Klassiker-Reihe mit Grimms Märchen geplant sein und fragte mich: „Was würden Sie gern machen „Hänsel und Gretel“ oder die „Sieben Geißlein?“ Ich entschied mich wegen des bösen Wolfs für die sieben Geißlein – und so kam ich zu meinem ersten Auftrag.

Der zweite Glücksfall bei dieser ersten Messe war, dass ein Lektor der Büchergilde Gutenberg so angetan war von meiner Mappe mit Radierungen, dass er eine Kabinett-Ausstellung in ihren eigenen Räumlichkeiten mit meinen Arbeiten organisierte. Mit dem unglaublichen Erfolg, dass alle gezeigten Arbeiten verkauft wurden! Ich konnte mein Glück schier nicht fassen. 

Die ersten fünf Jahre als freischaffende Künstlerin gingen dann selbstverständlich nicht so reibungslos weiter. Es war zum Teil schon knallhart und ich habe mich mehr als einmal gefragt, wovon ich im nächsten Monat die Miete bezahlen soll. Um mich über die Runden zu bringen, habe ich nebenher auch in der Erwachsenenbildung gearbeitet, habe Workshops angeboten, Lesungen aus von mir illustrierten Büchern veranstaltet, war an der Dresdner Sommerakademie einige Male als Dozentin tätig, und habe immer auch wie verrückt meine Druckgrafiken gemacht, in der Letter-Presse, eine etwas außerhalb von Münster gelegene, hervorragend eingerichtete druckgrafische Werkstatt, in der ich mich auch mit Kollegen austauschen konnte.

Inzwischen habe ich das Illustrieren von Büchern stark reduziert, weil der Buchmarkt sich enorm verändert hat. Ich arbeite als „Dino“ aus dem letzten Jahrhundert vollkommen analog: Das Manuskript lesen, mit dem Bleistift Handskizzen machen, bis die Figuren sitzen, das Ganze dann nochmal in Absprache mit dem Verlag in ein Layout zeichnen, danach schließlich die Originale anfertigen. Ich habe vor Jahren beschlossen, dass, wenn ich Illustrationen mache, sie ganz in meiner eigenen Handschrift machen möchte, es soll ein künstlerisch gestaltetes Buch werden, dessen Illustrationen meine Farbradierungen zugrunde liegen. Das heißt, ich arbeite im Atelier mit dreißig Druckplatten, nehme die Drucke mit nach Hause, wo ich sie koloriere, schicke die Originale dann an den Verlag, wo sie eingescannt werden. Das Ganze nimmt drei bis sechs Monate in Anspruch. Ein solcher Aufwand wird heute praktisch nicht mehr betrieben, die Illustratoren arbeiten heute mit entsprechenden Programmen am Computer. Meine Arbeit ist schlicht zu teuer geworden, es lohnt sich nicht mehr, für das wenige, was ein Illustrator an Honorar erhält, so viel Zeit zu investieren. Auch die Verlage können sich das nicht mehr leisten, das „Verfallsdatum“ eines Buches liegt heute bei drei bis sechs Monaten, nach einer Saison gehört es bereits zum alten Eisen und verkauft sich nur noch schleppend, wenn überhaupt. Da Buchillustrationen für mich eine Herzensangelegenheit sind, habe ich es nicht ganz aufgegeben, doch ich lasse mich nur noch alle zwei bis drei Jahre darauf ein und nur zu der Bedingung, dass ich es auf meine Art machen kann.

Wie gesagt, die ersten Jahre als freie Künstlerin waren sehr hart, es gab Wochen, in denen ich von zehn Euro leben musste, und ich habe unentwegt geschuftet. Neben den Ausstellungen hatte ich auch immer irgendeine Lehrtätigkeit und ich habe gemeinsam mit einem Schweizer Buchbinder Künstlerbücher gestaltet, bei denen ich Zeichnungen auf den Buchschnitt applizierte, um Goldschnitte herzustellen. Seit 16 Jahren bin ich nun in Konstanz und in den letzten zehn Jahren ist mein Leben in der Hinsicht „selbstbestimmter“ geworden, als ich mir mehr aussuchen kann, was ich mache und was nicht. Dazu hat auch beigetragen, dass ich sehr viele Stipendien bekommen habe, die mir Zeiten verschafft haben, in denen ich mich unbeschwert und intensiv meiner freien Arbeit widmen kann.

Von Beginn an war mein Anspruch: Ich will mich von meiner freien Arbeit ernähren können. Für mich war nie die Frage „ob“, sondern immer nur „wie“ – wie kriege ich das ans Laufen. Es ging mir nie darum, Reichtümer zu verdienen und dass sich jetzt das alles so eingependelt hat, dass ich gut von meiner Arbeit leben kann, unabhängig bin, wunderbare Kolleginnen und Kollegen gefunden habe, große Freude habe an dem, was ich tue, das macht mich sehr glücklich.“

Dieses Glück vermitteln Susanne Smajics Arbeiten, sie besitzen ihre eigene, unverwechselbare Handschrift. Einen kleinen Einblick in Susannes Arbeiten geben die angehängten links.

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