Lesen, um zu sehen

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Lesen, um zu sehen 1371 668

Leben Sie hier oder, wenn Sie schon nicht zu diesen glücklichen und beneidenswerten Menschen gehören, spielen Sie mit dem Gedanken, unsere begnadete Gegend zu besuchen? Haben Sie noch dazu etwas übrig für Gärten? Dann habe ich einen ganz wunderbaren Buchtipp für Sie:

 „Die schönsten Bodenseegärten und ihre Geschichte“
von Dominik Gügel 

Erschienen ist das Buch im Silberburg Verlag. Der Autor Dominik Gügel ist Historiker und Direktor des Napoleon-Museums im Schweizer Arenenberg – ich hatte in einem früheren Beitrag („Legitim, illegitim, intim – Hauptsache dynastisch“ vom Juni 2020) schon einmal darauf hingewiesen, wie sehr sich ein Besuch dort lohnt – außerdem ist er ehrenamtlich tätiger geschäftsführender Präsident des Netzwerks Bodenseegärten. Für sein Engagement im Dienste der Gartenkultur im Bodenseeraum wurde ihm kürzlich die Stauffer-Medaille, die höchste Auszeichnung Baden-Württembergs, verliehen. 

Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie unglaublich viel Arbeit Dominik Gügel in dieses Buch gesteckt hat. Er muss zahllose Tage, Wochen, wenn nicht Monate, in alten Archiven gegraben haben, um all diese Geschichten hervorzuholen, die zu den vorgestellten Gärten gehören. Das macht die Gärten, meist grandios eingebunden in die dazugehörige idyllische Landschaft, zusätzlich interessant, wenn sie derart professionell präsentiert werden: Sie sind eben nicht nur ein Genuss für die Sinne, sondern sie erzählen uns auch etwas über die Vergangenheit. In vielen Fällen habe ich große Lust bekommen, noch viel mehr über den einen oder anderen Park, Garten oder Eigentümer zu erfahren – über Herrn Reichlin von Meldegg aus der Renaissance zum Beispiel, der in Überlingen die „hängenden Gärten“ schuf und von dem ich vorher noch nie gehört hatte. Und dass die Mainau, die hier in Konstanz sozusagen Allgegenwärtigkeit besitzt, natürlich auch wegen ihrer illustren Besitzer, dass die Mainau ursprünglich einem Fürsten Esterházy gehörte, der für ihre Anfänge als „Blumeninsel“ verantwortlich war, und sie einem unehelichen Hallodri von Sohn hinterließ, der sie an den Großherzog von Baden veräußerte, über den sie schließlich an die Bernadottes kam, das weiß heute auch kaum einer, auch nicht in Konstanz! Spannend finde ich auch die zeitliche Entwicklung von Gartenstilen, die Dominic Gügel deutlich macht, und die natürlich immer auch etwas mit der gesellschaftlichen Entwicklung zu tun hat.

Vor allen Dingen aber macht das Buch mit seinen vielen herrlichen Fotos sehr große Lust, sich alsbald auf Garten-Tournee zu begeben, um sich das alles mit eigenen Augen anzuschauen. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll mit all den Ausflügen, die ich mir vorgenommen habe. Bei der Fülle der vorgestellten Gärten reicht ein Sommer natürlich gar nicht aus, aber wir können uns ja auch Zeit lassen, die Gärten werden auch nächstes Jahr wieder blühen. Wenn man wirklich etwas davon haben will, muss man sich die Muße gönnen, zu schwelgen in dem, was Natur und talentierte Gärtner uns bieten. Und auf jeden Fall werde ich auch mir bereits Bekanntes mit aufmerksameren Augen betrachten. Wer mehr weiß, der sieht mehr – in diesem Sinne ist dieses schöne Buch ein wunderbarer Augenöffner – wie gesagt, lesen, um zu sehen.

Nachdem ich nun mit viel Freude Werbung für ein empfehlenswertes Buch gemacht habe, möchte ich mich mit einem kleinen Abstecher zu einem ganz anderen Gebiet der Werbung in die Sommerferien verabschieden: 

Fernseh-Werbung kann ja sooo grausig sein- meine Lieblings-Abschreckungsbeispiele dafür sind seit einiger Zeit die Spots, in denen schlechte Schauspieler die Mankos ihrer Darmtätigkeit ausführlich und in bewegenden Worten schildern, was für sich genommen schon schlimm genug wäre – ich lasse mich jedenfalls nicht so gern mit den intimsten Details der Indigestion mir wildfremder Menschen behelligen – aber dann wird das Ganze auch noch gekrönt mit: „Dann hat mir mein Apotheker „Abluftade“ empfohlen und seither sind meine Darmbeschwerden wie weg!“ Was soll das sein, wenn etwas „wie weg“ ist? Dass es eigentlich noch da ist? Ich meine, okay, die Metapher lautet eigentlich, etwas „ist wie weggeblasen“, was sich in diesem speziellen Zusammenhang selbstredend verbietet, aber hätten die Verantwortlichen – man ist geneigt zu schreiben „die Schuldigen“ –  für diesen Spot nicht einen Sprachwissenschaftler konsultieren können, der sie darüber aufklärt, wie man in handelsüblichem Deutsch ausdrücken kann, dass man etwas los ist?

Es kommt aber noch besser. Die obige etwas umständliche Hinführung war notwendig, um zu erläutern, weshalb sich mir in letzter Zeit eine Assoziation aufdrängt, die nicht im Sinne der Schöpfer der fraglichen Werbung sein kann. Im selben Ductus nämlich wie die schon geschilderten Spots, ich nehme an, es handelt sich um denselben Pharma-Konzern, gibt es jetzt noch etwas anderes vor den Nachrichten zu ertragen. Da bekennt ein etwas älterer Mann mit Dackelblick und irgendwie verlegen tuend: „Früher litt ich unter Erektionsstörungen. Aber dann hat mir mein Apotheker „Möhrehoch forte“ empfohlen…“ und in meinem Kopf ging es weiter mit „seither ist mein Penis wie weg!“ Ach ja, das sind so die kleinen Freuden des Alltags…Spott für den Spot.

Machen Sie sich einen schönen Sommer – vielleicht mit Ausflügen an die Bodensee-Gärten, bis bald!

Bild von andic auf Pixabay