Ein bisschen Meckern mit versöhnlichem Ausblick

Ein bisschen Meckern mit versöhnlichem Ausblick

Ein bisschen Meckern mit versöhnlichem Ausblick 846 605

Ach, wie gern würde ich immer heiter und frohgelaunt durchs Leben gleiten. Ist leider nicht drin, selbst wenn man seine Zukunft weitgehend hinter sich hat und sich aus deshalb um diese keine größeren Gedanken mehr machen muss. Die Gegenwart bietet genügend Stolpersteine für die Gemütsruhe.

Ohne die Dinge über Gebühr dramatisieren zu wollen, muss ich nämlich zugeben, dass mir gerade einiges auf den Wecker geht und da will ich noch gar nicht darauf hinaus, dass ich es bitter finde, das sogenannte Land der Dichter und Denker mit für meinen Geschmack viel zu vielen Menschen mitzubewohnen, die offenbar weder denken können noch ganz dicht sind. Ich habe meine Haltung dazu, denke ich, häufig genug klargemacht. 

Etwas ganz anderes, das mir auf den Wecker geht, sind zum Beispiel die Krokodilstränen, die in Zeitungen wie der „Süddeutschen“ gemeinsam mit der südafrikanischen Regierung darüber geweint werden, dass Südafrika nun mit einem Wegbleiben von Touristen dafür „bestraft“ würde, dass es so vorbildlich sofort die Entdeckung von Omikron öffentlich gemacht habe. 

Wie bitte?! Hatten wir uns nicht, gemeinsam mit solchen Zeitungen, die uns immer und immer wieder beschworen, dass wir unser Leben ändern müssten, dass wir uns bescheiden müssten, um die Klimakatastrophe aufzuhalten, darauf geeinigt, dass Fernreisen für das Klima von höchstem Übel sind? Was, bitte schön, sind Reisen für die Touristen, auf die Südafrika besonders scharf ist, weil sie am meisten Geld in das Land bringen, anderes als sehr, sehr ferne Reisen? Auch wenn, wie gesagt, die eigene Zukunft hinter einem liegt, hat man doch Kinder und Enkelkinder, um deren Zukunft einem bang ist. Nicht, dass Sie mich missverstehen, ich würde den Südafrikanern das Geld der Touristen keineswegs missgönnen – aber was die Zeitungen betrifft: entweder konsequent oder inkonsequent, nicht dieses ewige Hin und Her. 

Aber das können sie sich vermutlich eh nicht abgewöhnen. Mir stößt jedenfalls seit langem sehr merkwürdig auf, dass in den Leitartikeln des politischen Teils Wasser gepredigt wird (Zurückhaltung beim Fliegen, jeder einzelne muss seinen Beitrag leisten, ein Weiterso kann es nicht geben, unser Konsumverhalten muss sich ändern), während z. B. noch in derselben Ausgabe im Reiseteil Werbung für Wein gemacht wird, nämlich für Ziele, die sich auf nachhaltige Weise kaum erreichen lassen, Malediven, Südamerika, Seychellen und was nicht alles – es sei denn, man macht es wie Greta Thunberg und segelt über die Weltmeere. Aber ob das nun so nachahmenswert ist? Man darf es bezweifeln, ganz von dem Umstand abgesehen, dass niemand so viel Urlaub hat.

Was mir ebenfalls auf den Wecker geht: Dass im Fernsehen zum Beispiel in der Sendung „Berlin direkt“ am gestrigen Sonntagabend (5. 12. – aber nicht nur da), die Ampel-Koalition desavouiert wird, noch bevor sie überhaupt im Amt ist. Da wird so lange auf einem „Vertrauensverlust“ herumgeritten, bis man schon selbst daran glaubt. Was soll das? Kann schon sein, dass sie nicht so toll sein werden, wie sie sich selbst finden, aber ihnen schon vorher so viel Misstrauen vor die Füße zu schmeißen, das zeugt in meinen Augen nicht von „kritischem Journalismus“, sondern von Unterstützung für die falsche Seite. Es war in meinen Augen literweise Wasser auf die Mühlen der Leute, die mit Demokratie eh nichts am Hut haben. Muss das sein? Im Zweiten deutschen Fernsehen?? Zur besten Sendezeit am Sonntagabend???

Dabei gibt es im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gerade etwas wirklich Lohnenswertes zu sehen! Mir jedenfalls macht es richtig Spaß. Sie finden es auf der Mediathek von arte. Ist leider, leider auch in anderer, sehr unerfreulicher Hinsicht gerade aktuell. Dabei haben die Menschen in der Ukraine doch wahrhaftig schon genug unter den Russen gelitten. Warum die ukrainische Serie „Diener des Volkes“ nicht im normalen Programm gezeigt wird, weiß ich nicht, denn es ist eine der witzigsten, bissigsten, intelligentesten Fernsehserien, an die ich mich erinnern kann. 

In „Diener des Volkes“ nimmt der Schauspieler W. Selenskij sein eigenes Schicksal vorweg: Er spielt einen Geschichtslehrer, der unversehens zum Präsidenten der Ukraine gewählt wird. Ich weiß zu wenig über die aktuelle innenpolitische Lage der Ukraine, um abschätzen zu können, wie gut sich Selenskij als Präsident macht – aber als Autor und Schauspieler der Serie ist er grandios, genau wie die anderen Schauspieler, die mitspielen. Die Serie beleuchtet gnadenlos das Ausmaß an Korruption in der Ukraine, ist aber intelligent genug, um nicht auch zu zeigen, dass gute Vorsätze allein nicht genügen, um gute Politik zu machen. Und das alles garniert mit aberwitziger Komik. Im langweiligen deutschen Fernsehen wäre eine solche Serie ein Lichtblick ohnegleichen. Aber bei uns kann man offenbar nur dröge Krimis mit depressiven, verhaltensgestörten oder leicht dämlichen Polizisten herstellen – wahlweise unverdauliche Schmonzetten, oder bieder-harmlose Komödien. 

Na also, isses jetzt gut! Jetzt ist aber mal Schluss mit dem Meckermodus! Nicht ungerecht werden. Es gibt auch Ausnahmen… mir fällt gerade keine ein, aber es gibt sie, ich weiß es. Und klasse Schauspieler haben wir sowieso, die würden sich über klasse Drehbücher wahrscheinlich mindestens so sehr freuen wie das Publikum.

Bild von Katatonia auf Pixabay