WARUM?

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Viel Lust zu schreiben habe ich im Moment leider nicht, weil ich immer nur eines im Kopf habe: Warum? Warum sind all diese Kerle, die so bedauerlich viel Einfluss auf unser Leben haben, nicht vernünftig, wohlwollend, friedlich und an einer gemeinsamen Lösung zur Bewahrung der Erde bemüht? Es ist wahrscheinlich – hoffentlich – übertrieben, aber gerade herrscht bei mir so ein Gefühl vor von „die Welt, die ich kenne, geht den Bach runter“. Das hat natürlich nicht nur mit Corona zu tun, dieses blöde Mist-Kack-Virus verschärft den Eindruck aber. Eigentlich, so war es ursprünglich mal geplant, sollte dieser Blog heiter, gewürzt mit Ironie und Selbstironie, zum Ausdruck bringen, was ich mir so denke, was mir so zustößt, was mich interessiert, aber leicht, locker und flockig halt. Leider fühle ich mich so gar nicht. Sie merken, mein Geisteszustand ist bedenklich, aber ehrlich, längst nicht so bedenklich wie der von Putin, Xi, Erdogan und Konsorten. Brauchen Sie lang zu fragen, was mir dermaßen die Aura verbeult hat? Fängt fast alles mit P an: Außer Putin noch Pandemie, Politik, Priester, Plastikmüll, Profitgier, und ein gefährlicher Schwachkopf, der mit P aufhört, treibt auch immer noch sein Unwesen. Dass ausgerechnet er jetzt ein Netzwerk mit Namen „Truth social“ gebastelt und in die bedauernswerte Welt entlassen hat, gehört zu den Dingen, über die man wenigstens mal lachen könnte, wenn das Lachen einem nicht im Hals steckenbliebe.

All diese Gegebenheiten und noch ein paar mehr, von denen man täglich in der Zeitung lesen kann, haben mir in den letzten Wochen die Lust am Schreiben genommen. Also habe ich mir heute gesagt: „Renate, lass dich nicht fremdbestimmen! Setz dich endlich an den Computer (ich habe vor ‚Computer‘ noch das Sch-Wort gesetzt, nur damit um meine mentale Verfassung nochmal zu illustrieren) und schreib den – oh je, schon wieder das Sch-Wort –  ist schließlich nur für dich wichtig, einfach, dass du merkst, du kannst noch schreiben!“

Ist Ihnen aufgefallen, wie ich mit mir rede? In der Du-Form! Das spielt eine Rolle, wie ein Neuro-Psychologe in jüngster Zeit herausgefunden hat. Wenn man sich mit inneren Dialogen runterzieht und sich die Stimmung verhagelt, wenn man ängstlich, aufgeregt, ratlos und frustriert ist, wenn man passiv in seinem Gedankenkarussell kreist und nicht weiß, wie da rauskommen, dann spricht man in der Ich-Form mit sich. In vielen Untersuchungen, die dazu angestellt wurden, hat sich herausgestellt, wie kontra-produktiv das ist. Um sich von seinem inneren „Geplapper“, oder „Chatter“ wie der amerikanische Neuro-Psychologe Ethan Kross das nennt, zu befreien, hat er einige hilfreiche Vorschläge zur Verfügung gestellt. Die will ich allen alten Schachteln, die sich dafür interessieren, auf ihre alten Tage etwas gegen das wenig hilfreiche Geplapper im Geist zu unternehmen, nicht vorenthalten.

Ich zitiere aus einer Zusammenfassung:

Die Fähigkeit, sich aus der „Echokammer“ unserer eigenen Gedanken zu lösen, um so zu einer weiteren, ruhigeren und dadurch objektiveren Perspektive zu kommen, ist ein wichtiges Hilfsmittel, um das „Geplapper“ zu bekämpfen.

  • Benutzen Sie eine distanzierte Art und Weise für Selbstgespräche. Eine Möglichkeit, diese innere Distanz herzustellen, besteht darin, in der Du-Form mit sich selbst zu kommunizieren. Denn das Gedankenkreiseln in der Ich-Form besitzt eine viel stärkere Vernetzung zu Gehirnarealen, die beim „Grübeln“ aktiviert werden. Gerade wenn man eine schwierige Erfahrung zu verarbeiten hat, ist es hilfreicher, sich beim Namen zu nennen und sich mit „du“ anzusprechen. Das führt zu einem besseren Umgang mit Stress, zu klügeren Entscheidungen und einer Verringerung der negativen Emotionen. 
  • Stellen Sie sich vor, Sie würden eine Freundin oder einen Freund beraten. Gerade wenn es um eine schwierige Situation geht, ist es hilfreich, sich vorzustellen, es sei ein anderer, der dieses Problem hat, und ihn in Gedanken zu beraten. Und dann handeln Sie nach diesen Ratschlägen!
  • Erweitern Sie Ihre Perspektive. Grübeln oder eben das Geplapper ist zwangsläufig mit einer verengenden Sicht auf das Problem, das uns belastet, verknüpft. Die eigenen Perspektive zu erweitern ist ein natürliches „Gegengift“ dagegen. Vergleichen Sie die Erfahrung, die Sie gerade bekümmert oder belastet mit anderen Schwierigkeiten, die Sie schon durchgestanden haben (oder auch, die andere früher oder gegenwärtig zu bewältigen haben) und wie sich die momentane Erfahrung in diesen erweiterten Rahmen einordnen lässt.
  • Bewerten Sie Ihre Schwierigkeit nicht als Bedrohung, der Sie hilflos ausgeliefert sind, sondern als eine Herausforderung, die Sie meistern können. „Geplapper“ oder Grübeln wird oft ausgelöst durch ein Gefühl der Handlungsunfähigkeit. Doch Sie besitzen die Fähigkeit, die Art und Weise Ihres Denkens zu ändern! Sich von eigenen inneren Dialogen zu distanzieren, etwa durch die Art, wie Sie mit sich selbst sprechen, ermöglicht einen neuen Blick auf Ihre Erfahrungen und Schwierigkeiten.
  • Machen Sie eine Zeitreise. Eine weitere Möglichkeit, mehr Distanz in die inneren Dialoge zu bringen und Ihre Perspektive zu erweitern, besteht darin, sich vorzustellen, wie Sie in einem Monat oder in einem Jahr oder noch später über die momentane Erfahrung denken werden. Wenn Sie sich vorstellen, wie es ist, zu einem späteren Zeitpunkt auf Ihre gegenwärtige Situation zurückzublicken, regen Sie sich nicht so über das gerade Geschehende auf und es wird deutlich, wie wenig dauerhaft solche Gefühle wie Ärger, Niedergeschlagenheit, Kummer usw. sind.

Das waren jetzt ein paar wenige aus einer Reihe weiterer Tipps und Hinweise, die ich insgesamt ganz spannend finde. Außerdem finde ich es ganz interessant, dass die Erkenntnisse, welche große Rolle innere Dialoge spielen, nun aus der Neuro-Psychologie kommen und nicht mehr nur aus der Psychotherapie.

 Wenn Sie sich intensiver mit dem Thema befassen wollen, das Buch, auf das ich mich beziehe heißt „Chatter – The voice in our Head and how to harness it“ und ist von Ethan Kross. Es soll wohl bald auch auf Deutsch erscheinen oder ist vielleicht schon.

Bild von geralt auf Pixabay
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