Normal???

Normal???

Normal??? 846 605

Von Corona-Blues zu schreiben wäre in meinem Fall übertrieben. Einen gewissen Corona-Rappel kann ich allerdings nicht leugnen. Es geht mir so dermaßen auf den Wecker. Kein anderes Thema mehr weit und breit, die alte Hackfresse mal ausgenommen (bitte um Entschuldigung für die Ausdrucksweise, aber auf einen groben Klotz passt nur ein grober Keil) – und dieses Thema geht mir bereits seit mehr als vier Jahren auf den Wecker. Vier Jahre lang hatte ich inständig gehofft, dass Nr. 45 nicht abgewählt wird, sondern mit Schimpf und Schande aus dem Amt gejagt, damit auch dem letzten seiner einerseits schwachsinnigen, andererseits machtgierigen (je nachdem, ob sie nur Anhänger oder aber aktive Vertreter der sogenannten Republikanischen Partei sind) Unterstützer absolut und unwiderruflich klar wird, dass er ein Verbrecher ist. Er schien es nicht zu schaffen, obwohl er sich redlich Mühe gegeben hat. Dass es ihm nun auf den letzten Metern unter Umständen doch noch gelingt, ist ein klarer Beweis seiner von ihm selbst geteilten – und mitgeteilten – Auffassung, dass er genau der unglaublich fähige Typ ist, der selbst das schier Unmögliche möglich macht, ein stabiles Genie eben. 

Darf man nun zu hoffen wagen, dass solche Kerle, die glauben, über alles erhaben zu sein, weil sie eben die Allergrößten sind, weshalb sie sich restlos alles leisten können, letzten Endes schon selbst dafür sorgen, dass sie ihr Fett abkriegen? So ganz trau ich mich noch nicht, wir sprechen schließlich von Amerika…Mir fehlen für dieses Phänomen die Worte, wenden wir uns also der anderen Sache zu.

 

Man kommt ja nicht drum rum… 

 

Wann immer ich mich mit Freundinnen und Freunden kommunikativ verband, hatte ich mir in letzter Zeit vorher ganz fest vorgenommen, nun aber wirklich nicht schon wieder über Corona und alle damit zusammenhängenden Begleitumstände zu reden, um allerspätestens nach fünf Minuten bei genau diesem Thema zu landen und für mindestens eine halbe Stunde nicht davon wegzukommen. Es ist zum Mäusemelken! Wenn man spazieren geht und dabei zufällig Gesprächsfetzen der Menschen drum herum aufschnappt, stellt man fest: Überall das Gleiche.

Ich muss in letzter Zeit häufig an eine zufällig mitgehörte Äußerung einer jungen Frau denken – das war noch in jenen seligen Zeiten, als Menschen auch über andere Dinge sprachen. Wie gesagt, am Seeuferweg wehte dieser Satz mich an, ich kenne also den Zusammenhang nicht, in dem die junge Frau zu ihrer Begleiterin mit großem Nachdruck sagte: „Ich will auf gar keinen Fall ein normales Leben führen!“ Damals dachte ich schon: „Oh je, Mädel, werd mal zwanzig, dreißig Jahre älter – dann sieht die Sache vielleicht anders aus.“ Wie wir alle nun wissen, hat es keineswegs so lange gedauert, bis man sich fast nichts sehnlicher wünscht als die gute alte Normalität. 

Nun kann man natürlich durchaus ausführlich und mit guten Argumenten darüber streiten, ob unsere Art zu leben eigentlich „normal“ war – in diese Diskussion will ich gar nicht einsteigen, ich denke, Sie wissen alle, was ich meine. Also lassen wir Spitzfindigkeiten beiseite und einigen wir uns darauf, dass das Leben im Moment jedenfalls nicht normal ist, was genau jenen, schon eingangs erwähnten, Rappel auslöst. Der Rappel bewirkt, dass man sich dringend Menschen wünscht, die gemeinsam mit einem selbst in ausdauerndes Schreien ausbrechen. Schreien am Stück! Die fänden sich zwar schnell, keine Frage, aber man ist ja Gottseidank mit lauter Vernunft begabten Menschen befreundet, so dass wir alle genau wissen, so laut, dass es was nützt, können wir gar nicht schreien. 

Immer wenn ich mit meinem Rappel so weit bin, fange ich mich dann wieder und die gemäßigteren Gedanken erobern sich den Raum in meinem Hirn. Ich habe den Willen zur Einsicht in die Nutzlosigkeit des Haderns mit Umständen, die ich nicht verändern kann! „Innere Freiheit“, so rufe ich mich zur Ordnung, „schon mal was davon gehört?“ Ja, die Freiheit, sie muss täglich neu erkämpft werden!

 

Dass anderen Menschen dabei der Sinn für Humor noch nicht abhanden gekommen ist, ist ein Trost.

 

Schließlich sind es verrückte Zeiten – jecke Zeiten, wie der Kölner sagt. Die jecken Zeiten, auch Karneval, Fasnacht, Fasching genannt, die schon immer auch eine gewisse Ventilfunktion besaßen, die fallen im Großen und Ganzen nun auch flach, aber, wie die folgende hausgemachte Ode an die Freudel beweist, die mir von einem lieben Kölner Freund zur Verfügung gestellt wurde, ist das noch längst kein Grund, Trübsal zu blasen:

Leeve Lück, 

Hügg es der 11. im 11. un et es nix wie et wor:
Mer sitze zohus un froge uns: Wat wor dat för e Johr?
Em Fröhjohr löstig noch Karneval gefiert
Han mer ne Mond donoh ad geliert:

Esu gruß wie mer uns de Welt vürjestallt han
Wor se nit mih wie de Pandemie bejann.

Weil ene Tünnes am Engk vun de Welt
En China – esu weed et zomindes verzällt –
Sich en Fleddermuus op der Jrell gelaat
Woodt flöck drop all afjesaht.

Die Oma moot allein zohus blieve
Mer kunnt ehr nur noch en Posskaat schrieve.
Ävver och an et Reise wor nit mih zo denke
Nur o‘m Balkon dorf mer sich verrenke.

De Maske wore uns usjejange 
Öm Mähl un Heff moote mer bange.
Et Klopapier woodt och övverall knapp
Manch einer hätt sich en Packung zo vill geschnapp.
Wat hät et Drieße me’m Hoste ze donn?
Dat han ich bis hügg noch nit verstonn.

Doch bei all der Ping, loot uns dat nit vergesse
Hatte mer zomindes genog zo esse:
Wä hät sich dat me‘m Bananebrud üvverlaat?
Ejal, mer han halt vill Zigg in der Köch verbraat.

Un och sunst han mer dis Johr vill geliert –
Dat mer nix jewennt, wann mer eins verliert:
De Jedold, doher dun doch ens widder laache
Op Zoom oder Teams, wat wells do söns maache?

Wann mer hee och all keine Jurisse sin,
Loore mer ens en et kölsche Jrundjesetz eren:
Artikel 2 säht ganz koot: Et kütt wie et kütt
Do mähs do halt nix, ävver maach bitte mit.

Bliev noch en Woch zohus, villeich och zwei,
wann mer Jlöck han es et dann baal vörbei.

Artikel 3 säht, du muss nit öm de Zokunf bange:
Denn et hätt noch immer jod jegange.
Die Pandemie es secher baal passé
Su lang haale mer‘t noch us an Havel un Spree.

Doher loße mer all zosammestonn:
Avstand haale un Maske aanjedon.
Häng wäsche es suwiesu immer wichtig
Söns kläv un stink et, dat es och nit richtig.

Blievt all gesund! Wohin et üch treck
Mer sinn uns baal widder, wann keiner verreck.
Dat wolle mer ävver secher nit hoffe,
Mer han jo noch gar nit zosamme ge… drunke.

Helau sage ich nit, dat klingk wie en Straaf
In diesem Sinne: Dreimol Kölle Alaaf!

Dem habe ich gar nichts hinzuzufügen – falls jemand eine Übersetzung braucht, bitte melden!

Bild von anncapictures auf Pixabay
4 Kommentare
  • Beinahe hätte ich um die Übersetzung gebeten ;-), aber dann habe ich es doch noch selbst hingekriegt.

    • Ja, als Nicht-Kölnerin darf man schon ein bisschen Knobeln. Bei mir hat es etwas gedauert, bis mir klar wurde, dass „geliert“ „gelernt“ heißen soll und kein kölscher Spezialausdruck ist, dessen Bedeutung sich mir nicht sofort erschließt.

  • Ich liebe ja den rheinischen Humor – und besonders das Motto ‚et hätt noch immer jod jegange‘.

    Lässt sich jederzeit widerlegen, aber das wäre erbsenzählerisch. In diesem Sinn – wird schon wieder. Aber Eliot hatte unrecht, nicht ‚April is the cruelest month’… für mich eher Januar.

    Aber tolles Schneemann/frau Wetter! Alles wird gut.

    • Liebe Sanna, ja, das Wetter ist gerade außerordentlich malerisch hier in Konstanz – ich teile nichtsdestotrotz deine Einschätzung des Januar. Von allen Monaten im Jahr ist es definitiv der längste, Januar will und will einfach nicht enden, und statt dass der Frühling beginnt, wie es sich für die Zeit nach Weihnachten von Rechts wegen gehören sollte, geht erst mal der Winter richtig los. In früheren Jahren habe ich gelegentlich versucht, dem Januar ein Schnippchen zu schlagen, indem ich mir Sandalen kaufte, aber das geht dieses Jahr ja nun auch nicht – wir sind ihm hilflos ausgeliefert!