Legitim, illegitim, intim – Hauptsache dynastisch

Legitim, illegitim, intim – Hauptsache dynastisch

Legitim, illegitim, intim – Hauptsache dynastisch 846 605

Nun ist es also schon wieder Juni! Wir alten Schachteln wissen genau, was das bedeutet: Weihnachten steht vor der Tür…Aber jetzt freuen wir uns erst einmal über Rosen, Rosen, Rosen, man könnte darin baden. 

Wissen Sie, wer eine ganz besondere Rosenfreundin war? Josephine, geschiedene Bonaparte, ehemalige französische Kaiserin von Napoleons Gnaden. In ihrem Garten von Malmaison blühten sage und schreibe 169 verschiedene Rosensorten. Was nicht nur für die Rosen zutrifft: Madame pflegte nicht zu kleckern. Josephine liebte jedoch nicht nur Rosen, sondern hatte für alle Blumen (und nicht nur für die, wie wir wissen) ein großes Herz, etliche Blumennamen gehen auf sie zurück, unter anderem die Hortensie, benannt nach ihrer Tochter Hortense – jene Hortense, die, nachdem die Sache mit dem Königin-Spielen sich erübrigt hatte, ihre Zuflucht an den Bodensee nahm, zuerst in Konstanz, dann im schweizerischen Arenenberg, weshalb wir hier am See eine ganz besondere Beziehung zu den Bonapartes besitzen. Aber was heißt, zu den Bonapartes?

Geht man dieser Familiengeschichte ein bisschen nach, wird es tatsächlich amüsant, wie die Stammbäume dieser Familien-Bande, die so gern kaiserliche Legitimität besessen hätte, eigentlich von Beginn an eher morsch waren.

Fangen wir doch mit Josephine an, am 23. Juni 1763 als Marie-Joseph-Rose Tascher de la Pagerie auf Martinique geboren. Rose, wie sie damals noch genannt wurde, war ein lebenslustiges Kind. Der Graf von Montgalliard, der als Offizier auf Martinique Dienst tat, erinnert sich an den vierzehnjährigen (!) Teenager folgendermaßen: „Mademoiselle de la Pagerie war nicht schön, man konnte sie nicht einmal hübsch nennen, doch es war unmöglich, ihrem Charme zu widerstehen. Ihr Blick verriet Verlangen und undefinierbare Gunst, liebkoste, ging unter die Haut, sprach vor allem die Sinne an…Sie war von Natur aus gut, leichtsinnig, unüberlegt, von erstaunlicher Koketterie.“ Na, das fing ja gut an.

Alexandre de Beauharnais, der ihr späterer Gatte werden sollte, wollte eigentlich ihre jüngere Schwester heiraten. Aber was hieß in diesen Zeiten schon „wollen“? Schließlich kannte er keines der Mädchen, er in Frankreich, die Damen in Martinique, man machte so etwas zwischen den Familien aus. Doch Marie-Joseph-Rose schien ihm mit ihren 16 Jahren ein wenig alt, eine Fünfzehnjährige, so glaubte der knapp Zwanzigjährige, passe besser zu ihm. Leider war die Auserwählte kurz zuvor gestorben und die Jüngste im Bunde der drei Schwestern, die wollte wiederum ihn nicht. Vielleicht fand die Elfjährige ihrerseits ihn zu alt, wer weiß das schon? So war es also doch die spätere Josephine, die im Dezember 1779 Vicomtesse de Beauharnais wurde. „Vicomtesse“? Von wegen!

Der Adelstitel der Familie Beauharnais war eine Luftnummer. Ein Genealoge, der prüfen sollte, ob Alexandre würdig sei, an den Hof Ludwigs des 15. aufgenommen zu werden, kam zu folgendem Ergebnis: „Monsieur de Beauharnais eignet sich nicht für eine Aufnahme bei Hof. Seine Familie kommt aus dem gehobenen Mittelstand bei Orléans…“ Händler, Schöffen, Verweser eines Amtsbezirks waren sie gewesen, ein Parlamentsabgeordneter war auch dabei, aber von Adel keine Spur. Den Titel „Vicomte“ hatte sich unser guter Alexandre nämlich flugs selbst zugelegt. 

Im Großen und Ganzen nahm ihm das die Gesellschaft nicht übel, auch wenn er nicht hoffähig war, schließlich sah er hervorragend aus, hatte angenehme Umgangsformen und galt als der schönste Tänzer von Paris. Seine Gattin allerdings kam nicht so gut an. Sie besaß wenig Bildung und keinerlei Neigung, daran etwas zu ändern. Alexandre langweilte sich ordentlich mit ihr und ging sehr viel lieber abends in die kultivierten Salons, als bei einer Frau zu bleiben, die ihm nichts zu sagen hatte. Da man dazu nicht die Kunst der geschliffenen Konversation perfektioniert haben musste, schafften sie es trotzdem irgendwie, zwei Kinder zu zeugen. Zwei Kinder? 

Da stellen sich schon die nächsten Fragen. Während Alexandre nicht an seiner Vaterschaft von Sohn Eugène zweifelte, kamen ihm erheblich mehr Bedenken, als es um die Tochter Hortense ging. Er war ziemlich sauer, wie man dem Brief entnehmen kann, den er am 8. Juli 1783 aus Martinique an die in Paris weilende Gattin schrieb: „Wenn ich Ihnen im ersten Zorn geschrieben hätte, wäre das Papier unter der glühenden Feder verbrannt…Ungeachtet der Verzweiflung meiner Seele, dem Groll, der mich erstickt, kann ich mich beherrschen, kann Ihnen ganz gelassen sagen, dass Sie in meinen Augen die niederträchtigste Kreatur sind, die es gibt…“ Nun ja, wenn das Ausdruck seiner Gelassenheit ist, möchte man gar nicht wissen, wie er ist, wenn er aufgebracht ist. Nach ein paar weiteren Beschimpfungen schreibt er: „Was soll ich von Ihrem letzten Kind halten, das acht Monate nach meiner Rückkehr aus Italien geboren wurde? Ich sehe mich gezwungen, es anzuerkennen, aber ich könnte schwören, dass es von einem anderen ist, in seinen Adern fließt fremdes Blut.“ Wie auch immer, im März 1785 wurde das non-existente Eheglück für immer ad acta gelegt und Josephine eine geschiedene Frau.

Bis jetzt haben wir also eine Vicomtesse, die keine war und eine Beauharnais, die vermutlich genauso wenig eine war. Doch die wechselhaften Zeiten und Geschicke schritten fort, Hortense tat es ein paar Regierungswechsel später ihrer Mutter nach und heiratete ebenfalls einen Bonaparte. Einen Bonaparte?

Madame Mère, wie die Mutter der Bonaparte-Geschwister genannt wurde, war, so munkeln es die Historiker, ebenfalls kein leuchtendes Vorbild ehelicher Treue, weshalb unter der Hand und dem Siegel der Verschwiegenheit, ziemliche Zweifel auftauchten, ob Louis denn nun tatsächlich ein Bonaparte gewesen sei. Die mögliche Beauharnais und der mögliche Bonaparte zeugten ebenfalls drei Kinder miteinander. Drei Kinder?

Hortense, die wohl mehr auf Drängen ihrer Mutter Josephine als aus eigenem Antrieb diese Ehe eingegangen war, war gar nicht abgeneigt, ihr persönliches Glück außerhalb des ehelichen Bettes zu suchen. Das führte dazu, dass Louis die Vaterschaft bezüglich des ersten Sohnes rundweg abstritt und beim dritten Sohn, Charles Louis Napoleon, erhebliche Zweifel anmeldete.

Es war ausgerechnet dieser dritte Sohn, der, wie der andere Napoleon vor ihm per Staatsstreich, unter dem Namen „Napoleon III“ als Kaiser der Franzosen Furore machen wollte. „Make France great again“ hätte er sich sicher auf die Fahnen geschrieben, wenn es ihm eingefallen wäre. Nun, ein Napoleon mag er gewesen sein, dass er ein Bonaparte war, ist keineswegs so sicher. Beide Herren haben ihre dynastischen Ambitionen jedenfalls grandios vergeigt. Da half auch das ganze aristokratische Gedöns nichts. Und was lehrt uns das jetzt? Eine mögliche Lehre wäre in meinen Augen, dass es sich nicht lohnt, vor illustren Namen und pompösem Auftreten allzu viel Ehrfurcht zu haben.

Was sich aber auf jeden Fall lohnt, ist ein Besuch des Napoleon-Museums Arenenberg. Es ist absolut zauberhaft gelegen, die Räume der ehemaligen holländischen „Königin“ sind ganz wunderbar restauriert, der angegliederte Museums-Shop ist einer der hübschesten, den ich kenne und wenn das Wetter es erlaubt, kann man nach einem sehr schönen Spaziergang durch die wiederangelegten Gärten, auf der Terrasse des dem Museum benachbarten Cafés einen gelungenen Ausflug ausklingen lassen. Wollen wir uns allen ganz fest die Daumen drücken, dass sich das bald wieder machen lässt! 

Das Bild ist von René Rauschenberger.
3 Kommentare
  • Ja, das ist etwas für meine Empirebegeisterte Seele, und wie Napoleon I. so schön und bedauernswert auf dem kahlen Felsen des „entsetzlichen“ St.Helenas steht vor einem orangeroten Sonnenuntergang – oh….

  • Tja, damals gab es eben noch keine Paparazzi. man tuschelte eben hinter vorgehaltener Hand. Zumindest blieb das Gerücht in den „höfischen Kreisen“. Und wenn nicht, dann blieb es ohne Internet, Twitter, Facebook etc. doch beschränkt auf wenige Kilometer.
    Und wenn die Männer immerzu Krieg spielen mussten, na ja …. was sollte man als Frau Königin denn da schon machen?

    • Liebe Brigitte, ja das stimmt, aus Klatsch und Tratsch ein lukratives Geschäftsmodell zu machen, hat erst das zwanzigste Jahrhundert fertiggebracht. Man könnte sich allerlei amüsante Überschriften ausdenken, die die einschlägigen Postillen geziert hätten, wenn es sie damals schon gegeben hätte, aber statt laut „Skandal“ zu brüllen, wurde nur hinter geziert gehaltenem Fächer gekichert.