Glück, Seelenfrieden und Milliardäre

Glück, Seelenfrieden und Milliardäre

Glück, Seelenfrieden und Milliardäre 846 605

Seien wir mal ehrlich, unglücklich sein, wenn man sich den Zustand der Welt anschaut, dazu gehört wirklich nicht viel – aber wieviel Intelligenz erfordert es, auch trotz manchmal widriger Umstände halbwegs glücklich zu sein! Ich schreibe bewusst „manchmal widriger Umstände“, denn wer immer widrige Umstände hat, besitzt mein volles Mitgefühl und die Lizenz zum Unglücklich-Sein, ohne sich dem Verdacht ausgesetzt zu sehen, er habe nicht mehr alle Latten am Zaun. Und auch das „halbwegs glücklich“ ist keine verunglückte ( -Tschuldigung) Formulierung, sondern volle Absicht. Wer immerzu glücklich ist hat entweder a) echt nicht mehr alle Latten am Zaun, oder ist b) sowas von erleuchtet, dass Buddha blass wird vor Neid. Können wir uns also darauf einigen, dass „halbwegs glücklich“ so ziemlich das höchste der Gefühle, bezogen auf das gesamte Leben, ist?

Philosophie und Psychologie, Wissenschaft und Esoterik, Scharlatane und ehrliche Menschen, Berufene und Nicht-Berufene – lassen wir die mittlerweile zuhauf vorhandenen „Glücks-Coaches“ außen vor, die fallen sowas von durchs Raster, die ignorieren wir noch nicht einmal, wie es so schön heißt – sind von dem Thema Glück und wie man es erreicht offenbar so sehr fasziniert, dass es unzählige Studien, Untersuchungen, Veröffentlichungen, Essays, ja ganze Philosophien und was nicht noch alles dazu gibt. Anleitungen sowieso in Massen, die scheinen allerdings eher das Gegenteil zu bewirken. Gerade las ich, dass die Psychologin Iris Mauss in einer Studie festgestellt hat, dass Menschen eher unzufrieden werden, je mehr sie dem Glück nach Rezept hinterher jagen, denn paradoxerweise richten sie ihre Aufmerksamkeit dann auf jene Situationen, in denen die Jagd nach dem Glück erfolglos war. Leuchtet ein, dass das nicht gerade ein Stimmungsaufheller ist.

Es scheint hingegen nicht zu schaden, auch das wurde in einer Untersuchung, und zwar von der Universität Kyoto herausgefunden, sein eigenes Glück zwar durchaus wichtig zu finden, aber ihm nicht dauernd zwanghaft hinterherzurennen. Wie so oft, erweist sich der Mittelweg als der goldene. Dem können vermutlich alle Philosophen zustimmen.

Nach einer einschlägigen Erfahrung am Ende eines Urlaubs vor ein paar Jahren, glaubte ich, ein für alle Mal zu wissen, was Glück ist: Glück ist, keine Zahnschmerzen zu haben (kann durch jede andere Form von Schmerz ersetzt werden, nehme ich an). Leider ist diese Formel nicht von dauerhaftem Wert. Ein paar Stunden nach dem erfolgreichen Zahnarztbesuch denkt man schon wieder, Glück wäre es doch, wenn man sich diese bezaubernden Schuhe kaufen würde. Wenn man Glück hat, drücken sie nach zwei Stunden Tragen und verursachen Blasen, damit tut sich dann nämlich ein neuer Glückshorizont auf: Glück ist, diese Schuhe ausziehen zu dürfen…Also, wenn Sie Glück haben, sind Sie eine Frau mit einem Schuh-Tick, dann kennen Sie ja schon ein prima Rezept, wie man sich immer wieder glücklich macht.

Früher hieß es gern „Geld macht nicht glücklich“ – dieser Satz darf als endgültig widerlegt betrachtet werden. Die Untersuchung eines gewissen Matthew Killingsworth von der renommierten Wirtschaftsuniversität Wharton School in Pennsylvania ergab folgenden Befund „Je mehr Geld, desto mehr Glück“. Also, mindestens was die Amerikaner betrifft, scheint es so zu sein, dass Milliardäre glücklicher sind als Millionäre und die sind glücklicher als die immer noch gut verdienende Mittelschicht. Von den Geringverdienern reden wir gar nicht erst, die armen Teufel haben aber auch gar kein Glück, jedenfalls offenbar kein für Amerikaner messbares. Dass Milliardäre und Millionäre vermutlich zu einem gar nicht geringen Teil für das Unglück der Armut und des Mangels eines großen Teils der restlichen Menschheit verantwortlich sind, wurde in dem Beitrag nicht erwähnt, war ja auch nicht Gegenstand der Untersuchung. So etwas auch nur zu denken, gilt in Amerika vermutlich schon als Kommunismus.

Bei der Gelegenheit können wir auch gleich mit einem Irrtum aufräumen, der immer noch durch alle möglichen Artikel und Bücher geistert. Es geht dabei um die These vom „Setpoint des Glücks“, die in den siebziger Jahren von Brickman und Campbell aufgestellt wurde. Brickman und Campbell behaupteten damals zwei Dinge: Nämlich dass Menschen erstens langfristig durch einen Lottogewinn nicht glücklicher werden – und zweitens durch einen Unfall, der sie in den Rollstuhl zwingt, nicht unglücklicher. Die These lautete: Wir gewöhnen uns an alles und landen nach einiger Zeit wieder auf unserem alten Glückslevel….Leider stimmt diese These nicht. Die Ergebnisse von Brickman und Campbell konnten bis heute nicht bestätigt werden. Und an Versuchen hat es weiß Gott nicht gefehlt. Alle neueren Studien zeigen: Die allermeisten Lottomillionäre sind nach ein paar Jahren definitiv glücklicher als vor dem Gewinn. Und wer gelähmt im Rollstuhl sitzt, dem geht es nach ein paar Jahren messbar schlechter als vor dem Unfall.“
Schade eigentlich, dass sie widerlegt ist, es war so eine nette These – ich mochte sie. Sie hatte ein gewisses Etwas von Unabhängigkeit, Souveränität im Fall der Not, Gelassenheit den widrigen Umständen gegenüber und nur kein Neid auf all diese Jackpot-Knacker. Tja…

Was macht der Mensch jetzt also? Er macht sich Gedanken. Und stellt dabei fest: Glück, das ist eine derartig glitschige Kategorie, dass sie einem ständig durch die Finger flutscht. Was macht das Glück wirklich aus? Darüber kann man endlos nachdenken. In der oben erwähnten Untersuchung, über das Glückslevel der Milliardäre etc., die mich zu diesem Beitrag angeregt hat, kommt der Glücksforscher zum Schluss, dass es das Gefühl von Freiheit und Seelenfrieden sei, das sich aus dem finanziellen Überfluss ergibt, welches die Herrschaften so enorm glücklich macht. Freiheit und Seelenfrieden, das klingt gut, könnte man als Glücksdefinition durchgehen lassen. Das Gefühl von sozialer Verantwortung scheint bei den Herren und Damen Milliardären und Multimillionären allerdings nicht dazu zu gehören. Es ist vielmehr die wohlige Gewissheit, sich in keiner Weise einschränken zu müssen und genauso leben zu können, wie man das will, koste es, was es wolle, sozusagen. Ich nehme an, ihr ökologischer Fußabdruck ist ihnen auch wurscht.

Missverstehen Sie mich nicht, ich bin nicht neidisch! Never ever! Ich bin sauer, stinksauer sogar. Seelenfrieden für ausbeuterische Milliardäre? Und fragen Sie jetzt nicht, wieso ich weiß, dass sie ausbeuterisch sind. Ich bin da nämlich absolut d’accord und eines Sinnes mit Honoré de Balzac: „Hinter jedem großen Vermögen steht ein Verbrechen“. Was im 19. Jahrhundert richtig war, stimmt im 20. und 21. erst recht.

Seelenfrieden! In meiner Einfalt dachte ich, den erreicht Mensch, indem er, sei es durch Meditation, Introvision oder sonstige Arbeit an sich selbst, endlich gelernt hat, sich selbst anzunehmen. Sich anzunehmen so wie er ist -mit sämtlichen Macken, Mängeln, mehr oder weniger liebenswerten Eigenarten, tatsächlichen oder vermeintlichen Unzulänglichkeiten sowie Krampfadern. Sein bisschen Grips also einzusetzen, um zu erkennen, dass Seelenfrieden eigene Bemühungen erfordert. Dass man seine grauen Zellen halt ein bisschen anstrengen muss, um endlich, endlich zu der Erkenntnis zu gelangen, dass wir uns Sisyphus als glücklichen Menschen vorstellen müssen. Und jetzt muss ich lernen, dass dazu lediglich ein paar Hundert Millionen Dollar nötig sind? Das setzt der Ungerechtigkeit doch die Krone auf den Gipfel des Fasses! Wenn ich darüber noch länger nachdenke, mache ich mich ganz unglücklich! Will die alte Schachtel das? Niemals! Wir beziehen unser Glück aus der Weisheit und der abgeklärten Gelassenheit des Alters. Nehmt das, ihr blöden Milliardäre und Multimillionäre!

Bild von Krimhild auf Pixabay
5 Kommentare
  • Ich hab’s mir ja schon immer gedacht, dass es nur ums Geld geht. Und dass die ewige Sorge darum, genügend davon vorzuhalten, einen Menschen depressiv macht – zumindest, wenn der Mensch eine gewisse Neigung dahin hat. Aber auch Depressive erleben mitunter. Glücksmomente – also: wer sagts denn? 💜🐗

  • Also eins kann ich nach einer Woche voller Zahnschmerzen bestätigen: Die körperliche Unversehrtheit ist und bleibt elementarer Bestandteil des Glücks. Alles andere ist Deko.

    • Bis zu einem gewissen Grad gebe ich dir natürlich recht, aber Sicherheit über Lebensumstände, betreffend ausreichend „Lebensmittel“, Nahrung, Wohnung, Kleidung, Schutz vor Gewalt und Übergriffen, sind mehr als Deko, oder? Aber ich denke, diese Dinge hast du auch vorausgesetzt, ich wollte es nur nochmal erwähnen. Auf jeden Fall scheint es mir gut zu sein, sich gelegentlich klar zu machen, was wesentlich für das eigene Glück ist und dass sich das doch stark unterscheidet von dem, was „Influencer“, Werbung und Multimillionäre uns vorleben. Das heißt ja nicht, dass man sich nicht sehr glücklich über ein bisschen Luxus fühlen kann…doppelt glücklich vielleicht, wenn es nicht selbstverständlich ist. Aber das führt schon zur nächsten Schwierigkeit: Definiere Luxus. Oh je, ich hör auf, wünsche dir auf jeden Fall in Zukunft zahnschmerzlose Zeiten!

  • Dazu fällt mir dann spontan das schöne Lied aus „Life of Brian“ von Monty Python ein – das entsprechende Bild dazu hochzuladend (Brain hängt am Kreuz), ist mir leider nicht gelungen:

    For life is quite absurd
    And death’s the final word
    You must always face the curtain with a bow
    Forget about your sin
    Give the audience a grin
    Enjoy it, it’s your last chance anyhow

    So always look on the bright side of death
    A-just before you draw your terminal breath
    Life’s a piece of shit
    When you look at it
    Life’s a laugh and death’s a joke, it’s true
    You’ll see it’s all a show
    Keep ‚em laughin‘ as you go
    Just remember that the last laugh is on you
    And

    Always look on the bright side of life
    Always look on the right side of life